Grundlagen

In dieser Rubrik finden Sie relevante Themenfelder aus dem Bereich von Corporate TV. Die Vorstände und Beiräte veröffentlichen hier Beiträge aus ihren jeweiligen Fachgebieten und liefern somit wichtige Informationen über Corporate Video.

 

Rechts- und Steuerfragen

Aktivierung immaterieller Wirtschaftsgüter nach dem BilMoG.

Einführung

Die neue Rolle des geistigen Eigentums besteht darin, es als Wirtschaftsgut nutzbar zu machen. Das wirtschaftliche Potenzial wurde bisher weitgehend verkannt. Unternehmen müssen verstehen, dass Intellectual Property nicht nur ein juristisches Instrument, sondern auch ein Asset ist. Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, Marken, Domains, Namen und andere Schutzrechte entwickeln sich immer mehr zum strategischen Wettbewerbsfaktor. Insbesondere der Markenname hat eine bedeutende Funktion, dient er doch der einzigartigen und ansprechenden Darstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung. Nach Schätzungen von Experten dürften es weltweit inzwischen etwa 25 Millionen registrierte Markennamen geben. Allein Google wird auf rund 100 Milliarden US-Dollar beziffert. Auch die Namen Apple, IBM oder Vodafone sind jeweils mehr als 50 Milliarden Dollar wert.

Bisher waren die Werte selbstgeschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter zunächst für das eigene Unternehmen, sowie für Investoren, Gläubiger und Banken intransparent. Unter Berücksichtigung des deutschen Vorsichtsprinzips hat das HGB von einer Bilanzierung dieser Wirtschaftsgüter abgesehen, sogar verboten.

In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und der Notwendigkeit, die Rechnungslegung an internationale Standards (IFRS und IAS) heranzuführen, hat der Gesetzgeber die Rechtslage jedoch geändert: Ab 2010 können nun Unternehmen dank der Reform des HGB durch das Bilanzrechtsmodernisierungs-gesetz ihre selbst geschaffenen immateriellen Werte des Anlagevermögens aktivieren. Damit wird ein großer Schritt zur besseren Handelbarkeit immaterieller Assets getan.

Gegenstand der Regelungen

In Zukunft besteht für immaterielle Vermögensgegenstände, die selbst geschaffen wurden, ein so genanntes “Aktivierungswahlrecht”, d.h. sie können als Aktivposten in die Bilanz aufgenommen werden. Hierzu zählen insbesondere Lizenzen, Patente, Rezepturen, Produktionsverfahren und Urheberrechte. Der Gesetzesentwurf zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz sah statt des Aktivierungswahlrechts noch eine Aktivierungspflicht vor! Davon versprach sich der Gesetzgeber eine wesentliche Verbesserung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahres – und Konzernabschlusses. Dem hat der Bundesrat widersprochen und ein Aktivierungswahlrecht gefordert. Hintergrund waren die mit der Aktivierung verbundenen Aufzeichnungs-, Darlegungs- und Nachweispflichten, die bei den Unternehmen zu erheblichen Kosten führen können. Steuerlich besteht ein Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände.

Was ist die bilanzielle Wirkung eines Aktivierungwahlrechts? Ein bisher unbewertetes Wirtschaftsgut darf vom bilanzierenden Unternehmen mit einem angemessenen Wert versehen und entsprechend in das Anlagevermögen aufgenommen werden. Um diesen Wert erhöht sich der Wert des Unternehmens am Ende des Wirtschaftsjahres im Vergleich zum Gesamtwert des Unternehmens zu Beginn der Periode. Damit erhöht sich der Jahresgewinn um denselben Betrag. Der Gewinn ist die Grundlage für die Besteuerung des Einkommens. Allerdings hat der Steuergesetzgeber im aktuellen Schritt die Besteuerung des durch diesen Effekt erhöhten Gewinns noch ausgesetzt, s.u. Ziffer 4.5.

Von diesem neuen Aktivierungswahlrecht ausgeschlossen sind jedoch Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder Vergleichbares, sofern sie nicht entgeltlich erworben sind. Das heißt, gerade für die oben aufgezählten, milliardenschweren Markennamen wie Apple, IBM oder Google gilt weiterhin ein “Aktivierungsverbot”. Der Grund liegt darin, dass derartige Vermögensgegenstände häufig nicht selbständig verwertbar sind und nicht von den Ausgaben für die Entwicklung des Unternehmens als Ganzes unterschieden werden können.

Diese Neuregelung, die im Ãœbrigen für alle Kaufleute gilt, lehnt sich an die Vorschrift des IAS 38.63 an. Damit wird die geplante Annäherung der deutschen Rechnungslegung an die internationalen Standards vorangebracht. Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch in der Aktivierungspflicht in den internationalen Regelungen, während sich die deutsche Regelung auf Grund der zusätzlichen Kostenbelastung für ein Wahlrecht entschieden hat. IAS sehen sogar Aktivierungspflicht bei immateriellen Wirtschaftsgütern vor, weil sie mehr die Sicht des Investors abbilden wollen. Der Blick des HGB ist dagegen mehr durch die Brille des Gläubigers zu werfen, weshalb es im HGB tendenziell vorsichtiger zugeht.

Möglich ist zukünftig nur die Aktivierung der Entwicklungskosten für immaterielle Wirtschaftsgüter. Der Ansatz von Forschungskosten dagegen ist nicht zulässig, da über die technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten der Forschung zu große Unsicherheiten bestehen. Sie müssen in der jeweiligen Entstehungsperiode direkt als Aufwand erfasst werden. Allgemein wird die Trennung von Entwicklungs- und Forschungskosten in der Praxis jedoch als problematisch angesehen. Häufig sind die Ãœbergänge fließend, vor allem wenn sich die Phasen der Forschung und Entwicklung zeitlich überschneiden. Dies ist beispielsweise in der Softwarebranche nicht selten der Fall. Folglich besteht hinsichtlich der Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen ein nicht unerheblicher bilanzpolitischer Gestaltungsspielraum. Im Gegensatz dazu schreibt IAS 38.57 den Aktivierungszeitpunkt von Entwicklungskosten im Detail vor und schränkt so die Ermessensentscheidung gegenüber der handelsrechtlichen Vorgehensweise ein.

Wenn eine genaue Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten nicht möglich ist, sind die gesamten Kosten als Forschungskosten einzuordnen und dürfen in dem Fall nicht aktiviert werden.

Offene Fragen

Einige Fragen sind allerdings noch offen oder stellen sich jetzt erstmals:

  • Wann erfüllt ein selbst erstelltes Wirtschaftsgut überhaupt die Eigenschaften eines Vermögensgegenstandes, damit es aktiviert werden kann? Nach der Begründung zum Regierungsentwurf ist das der Fall, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ein Vermögensgegenstand zur Entstehung gelangt. Die Einschätzung, ab wann dies vorliegt, ist wohl branchenabhängig. Zusätzlich ist die selbständige Verwertbarkeit des immateriellen Wirtschaftsgutes ein Kriterium.
  • Eine weitere Frage ist, wann die in den Entwicklungskosten aktiviert werden können: bereits bei ihrem Anfallen oder erst, wenn ein Vermögensgegenstand vorliegt? Das Gesetz spricht von den “bei der Entwicklung eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstandes anfallenden Herstellungs-kosten.” Dies spricht dafür, dass die Kosten bereits in ihrem Entstehungszeitpunkt, also mit Beginn der Entwicklungsphase zu aktivieren sind.

Folgebewertung und Abschreibung

Eine gesonderte Regelung für die Folgebewertung selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens findet sich im BilMoG nicht. Grundsätzlich sind Vermögensgegenstände “höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Abschreibungen [. . .], anzusetzen” (§ 253 HGB). Die Abschreibung bestimmt sich nach der voraussichtlichen Nutzungsdauer. Falls eine zeitlich beschränkte Nutzungsdauer nicht vorliegt, verbleibt nur die außerplanmäßige Abschreibung bei dauernder Wertminderung (z.B. Wegfall infolge einer technischen Neuerung).

Typische Abschreibungsperioden:

Firma (=Unternehmensname): steuerlich 15 Jahre, handelsrechtlich auch 3-4

Patent: üblicherweise Laufzeit, d.h. 20 Jahre

Marke: üblicherweise Laufzeit, d.h. 10 Jahre

Für den Fall einer dauerhaften Wertminderung hat eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert zu erfolgen. Elementar für die Folgebewertung von immateriellen Vermögensgegenständen ist somit die Beurteilung, ob ein zeitlich bedingter Werteverzehr vorliegt und die anschließende Bestimmung der Nutzungsdauer. Zur Bestimmung der Nutzungsdauer bedarf es einer konkretisierten Schätzung, wobei auf Erfahrungswerten aufzubauen ist. Im Zweifel sollte diese eher vorsichtig geschätzt werden, d. h. eine Schätzungsunsicherheit sollte zu einer kürzeren Nutzungsdauer führen.

Künftig sind als erster Posten im Anlagevermögen “Selbstgeschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte” gesondert auszuweisen. Problematisch ist, dass diesen nur schwer ein objektiver Wert zugewiesen werden kann und ein nicht unterschätzbares Risiko besteht, dass entsprechende Werte tatsächlich nicht realisierbar sind. Aus Gläubigerschutzgesichtspunkten hat man daher im Gegenzug zur der möglichen bilanziellen Vermögensmehrung eine Ausschüttungssperre bei Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellten Gesellschaften eingeführt. Vereinfacht ausgedrückt dürfen Gewinne nur ausgeschüttet werden, sofern sie nicht aus der Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen stammen. Dadurch soll erreicht werden, dass in der Gesellschaft stets so viel frei verwendbares Eigenkapital vorhanden ist, wie auf die als unsicher qualifizierten Aktivposten entfällt. So kann die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses gestärkt werden, ohne das weiterhin grundlegende Ziel der am Gläubigerschutz orientierten Gewinnermittlung zu gefährden.

Im Gegensatz zum handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht können immaterielle Vermögensgegenstände in der Steuerbilanz unverändert nur dann angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Die Folge ist, dass Handels- und Steuerbilanz bei bilanzierungspflichtigen Kaufleuten noch mehr als bisher voneinander abweichen werden. Werden die immateriellen Assets in der Handelsbilanz als Aktivposten erfasst, während die Entwicklungskosten in der steuerrechtlichen Gewinnermittlung aufwandswirksam verbucht werden, sind latente Steuern zu berechnen.

Schlussbetrachtung

Letztendlich hat die erfolgte Neuregelung im Handelsrecht sowohl Vor- als auch Nachteile. Bilanzpolitische Spielräume werden erhöht und die Kapitalerhaltung gefährdet, was durchaus kritisch zu betrachten ist. Manche gefährdete Bilanz wird gehübscht. Steuer- und Handelsbilanzen driften noch weiter auseinander als bisher.

Zu den Vorteilen: Durch das neue Aktivierungswahlrecht für immaterielle Vermögensgegenstände werden nicht nur die Informationsfunktion und die internationale Vergleichbarkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses verbessert. Vor allem ermöglicht es eine künftig annähernde Gleichbehandlung von materiellen und immateriellen Vermögensgütern. Positiv ist auch die Annäherung von HGB-Bilanzierung und IFRS zu vermerken.